"Wandergeschichten sind die langweiligsten Geschichten der Welt. Entweder es geht zu sehr bergauf oder zu sehr bergab, oder irgendwer verläuft sich. Spannend sind die Geschichten nur, wenn der Wanderer stirbt,...."
Aus "Die Hungrigen und die Satten" , Timur Vermes
In diesem (empfehlenswerten) Buch ging es nun echt um eine Wanderung ganz anderer Art und gestorben wird hier nicht. Also langweilig ? Nö, so gar nicht ! Es ist wie schon 2021 spannend und interessant, all der Grenzgeschichten wegen, und es ist wunderschön, all der Natur wegen ! Inzwischen bin ich über 3 Wochen unterwegs und der größere Abschnitt liegt schon hinter mir. Fast ein bisschen schade, so viele Eindrücke und schöne An- und Aussichten jeden Tag !
Letzte Woche war ich mal sehr erstaunt, wie platt es auch in Thüringen sein kann, fast gerade, nur durch Wiesen und Felder, dazu pralle Sonne... Danach ging es sehr abwechslungsreich und hoch und runter durch die Rhön, schnuckelige Fachwerkhäuser, bei den Panorama-Stücken war das Wetter eher trüb. Und immer mal wieder zerplatzt meine grüne Blase an der Realität - seit Mittwoch ist es echt gewöhnungsbedürftig, das größte Kalibergwerk des Landes mit zwei gigantischen Abraumhalden, deren giftige bzw. versalzene Abwässer einen krassen Widerspruch zur Idee des Grünen Bands darstellen, aber beides steht genau nebeneinander.
Heute lasse ich das hinter mir und stürze mich wieder in dichten Wald. Leider mit sehr stürmischem, grau-kaltem Wetter... heute morgen war das Zelt gefroren und gehagelt hat es gerade... sehr verlockend...
Eine wichtige Station jeden Tag ist vor allem das ausgedehnte Mittagspicknick- irgendwo an einem sonnigen Fleck, das Essen ist dabei meist gar nicht so originell (oft muss ich Proviant für mehrere Tage mitschleppen), aber unterwegs schmeckt ja eh alles viel besser, dazu ein Kaffee, ein Buch - ich liebe es ! Manche Tage macht leider das Wetter sowas unmöglich und ich friere in kürzester Zeit wie ein Schneider und muss mich bewegen....
Besuch gab es auch einmal, Anja aus Leipzig kam mit dem Zug und wir liefen ein vergnügtes Wochenende gemeinsam und hatten Spaß, zugewachsen Abenteuer-Wege, eine Burg und auch Sonne !
Und wie schon bei der ersten, nördlichen Wanderung sind die Menschen unterwegs echt toll ! Ich habe viele Schwätzchen mit Anwohnern, die Geschichten von früher erzählen - ein ehemaliger West-Grenzsoldat über die Rettung von DDR Flüchtlingen (öfter schwer verletzt), ein Bauer über den Abbau der Grenzanlagen und vor allem die Beseitigung der Minen, eine alte Frau über ihre früheren LPG-Arbeitstage auf dem Acker unter Bewachung.... und wenn ich nach einem Platz für mein Zelt frage, wundert man sich zwar kurz, aber lädt mich dann herzlich ein. Sogar Frühstück ans Zelt gab es schon ! Und natürlich auch da noch viele Gespräche und das eine und andere Bier dazu. Es macht echt sehr Freude, auch wenn ich manche Abende sehr kaputt bin. Bis zum Morgen ist es immer wieder gut. Gut, dass es noch ein Stück hin ist bis zum Harz !
Ach, gestern traf ich mal wieder 2 Wanderer, insgesamt in den 3 Wochen nun schon 4 :-) Keiner unterwegs hier.....