Dieses Dorf hatte ich auch in den letzten Monaten öfter im Kopf, aber es ist so abgelegen, dass ich eine Fahrt dahin jedes Mal verworfen hatte. Ganz im Süden Kirgistans, kurz neben der tadschikischen Grenze. Bekannt ist es, weil sich dort in der Nähe das Basis-Lager für die Besteigungen des Siebentausenders Pik Lenin befindet. Ein Highlight hier für Bergsteiger. Also nicht für mich J. Am Rande des Pamir-Gebirges. Nun hatte ich aber die Grenze im Süden überquert und plötzlich war der Weg gar nicht so weit. Also noch dorthin für die letzten Tage ! Bereits an der Busstation neben dem Basar der Stadt Osh fiel auf, dass das wohl eine etwas andere Tour wird und es wirklich in abgelegenen Gegenden geht. Noch nie wurde ein Bus hier so vollgestopft und beladen – mit Taschen, Beuteln, Kisten, Kartons, Säcken, Holzbrettern, Motorteilen, etc., ich fühlte mich sehr an Bolivien erinnert und die Fahrten dort in den Busch. Als wirklich kein Millimeter mehr frei war, ging es los, erst durch schöne Hügel, Berge, über zwei Pässe, der erste Schnee – und dann nach ein paar Stunden, erreichten wir die Hochebene, in der auch Sary Mogul liegt. Wie ein großer Teller, eingefasst von gigantischen Bergen – der Kette des Alay-Gebirges und eben des Pamirs, bereits tief verschneit. Was für Anblicke bereits von der Passhöhe ! Cool !!! In zwei Dörfern wurden Leute und Gepäck ausgeladen, ein paar Arbeiter steigen noch zu und beim Dunkelwerden erreichten wir Sary Mogul. Etwas über fünftausend Menschen leben hier auf knapp 3000 Metern Höhe. Kleine Häuschen und Ställe am Fuße der Alay-Berge, der Wind pfeift und nachts schon klirrend kalt.
Die Zeit der Touristen, Wanderer und Bergsteiger ist schon zu Ende. Ich hatte ein Zimmer bei einer Familie, dort fühlte ich mich zwar hin und wieder als störe ich die beginnende Winterruhe, aber wenigstens beim Frühstück gab es interessante kleine Unterhaltungen. Bayish (Lehrerin für kirgisische Sprache und Literatur) erzählte z.B., dass ihr Mann für Monate in Europa arbeitet, in Polen und dort in einer Fabrik Pilze verpackt, zusammen mit noch einer Handvoll Männer aus dem Dorf … ihre zwei Söhne sind irgendwo in einer Koran-Schule. Sie ist mit den beiden Töchtern alleine. Als ich nachfragte, ob sie selbst auch gern wandern gehen in diesen irren Bergen, hat sie herzhaft gelacht – oh nein ! nur mit dem Auto. Na also ich wanderte mit Begeisterung, immer auf den Pamir zu. Leider sind die Berge, die so nah aussehen, doch über 20 km vom Dorf entfernt, aber es war trotzdem sehr schön, auch wenn ich nicht bis richtig ran kam. Und obwohl alles längst so kahl und trocken ist, weideten noch immer Tiere. Keine Ahnung, von was die satt werden sollten. Ich fand meine zwei Wandertage herrlich – ein Hochgenuß für die Augen und noch mal eine Herausforderung für die Füße ! - und verbrannte mir dank der Höhensonne auch noch schön das Gesicht.
Und gestern morgen, halb 8, kurz nach Sonnenaufgang und um die Null Grad, sammelte mich das Marschrutka (der kleine Bus) vorm Gästehaus wieder ein und tuckerte dann gemütlich Kreise durchs Dorf, um Hinz und Kunz zu Hause abzuholen, unglaublich – der eine oder andere hatte wohl verschlafen oder war noch nicht fertig mit melken oder musste noch mal fix aufs Klo; einer stieg auch noch mal aus vor seinem Haus, es dauerte und dauerte, aber das störte überhaupt niemanden, in Decken gewickelte Omas hockten kichernd im Bus, Paare mit verschlafenen kleinen Kindern, alte Männer mit diesen typisch kirgisischen Filzhüten, verfrorene Frauen mit Kopftüchern…zwei, drei kleine Klapphocker wurden in den schmalen Gang gezwängt, damit noch jemand Platz fand; es wurde palavert, gelacht, die Stimmung war schlicht und einfach vergnügt und vermutlich ist diese Prozedur jeden Tag die gleiche, es ist der täglich einzige Bus in die über 200 km entfernte Stadt Osh, in die man einfach muss, wenn man etwas benötigt, was es im Dorf nicht gibt. Nach genau 37 Minuten fuhr der Bus zum zweiten Mal am Gästehaus vorbei und aus dem Dorf hinaus J Man stelle sich das zu Hause vor und was es für ein Gezeter gäbe….
Über die Hochebene, vorbei an vielen grasenden Kühen, Pferden, Schafen und noch mal Yaks, wieder den Pass hoch, letzter Blick zurück auf den Pamir… und am Mittag erreichten wir Osh und es war mindestens 10 Grad wärmer, alle Jacken und Pullover ausgezogen und alle stürmten zum Basar und ich trottete mit meinem schweren Rucksack zum Hostel und nun schlendere ich auch mal über den Basar ! Ende der Woche geht es dann wieder nach Usbekistan, zum Zug und zurück nach Samarkand, ab dort geht’s dann nach Europa. Eine Woche noch… diese unglaubliche Natur hier werde ich sehr vermissen, aber ich freu mich wie verrückt auf Euch alle !!!