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Dienstag, 30. Mai 2023

Die Ziegen-Tage


Rückenschmerzen hin oder her – die Mithilfe auf dem kirgisischen Ziegenhof wollte ich partout nicht absagen ! Also noch mal gut mit Schmerztabletten eingedeckt und los gehts. Wie so oft, ist das System des öffentlichen Verkehrs auch in Kirgistan für Ausländer manchmal etwas schwierig zu verstehen. Welcher Bus fährt wohin – bis ich die Tafel am Bus entziffert habe, ist der Bus schon wieder weg, an welchem Busbahnhof bekomme ich den richtigen Bus nach weiter weg ? Aber wenn man dann den richtigen hat, ist es auf alle Fälle supergünstig von A nach B zu fahren ! Immer nur so 30-40-50 Cent. Das ist toll. Und dort wo kein Bus mehr hinfährt, fährt ein Sammeltaxi oder man hält ein Auto an und gibt auch diesen Fahrern jeweils ein bisschen was. Ich kam schnell an. Und freute mich sehr, mal wieder Ziegen um mich zu haben ! Die nächsten 10 Tage waren ziemlich turbulent und auch chaotisch, immer irgendwo etwas zu tun, wenn auch gar nicht immer mit den Ziegen (dafür gab es einen extra  Arbeiter). Aber dem konnte ich auch immer mal was helfen. Und schon am Dienstag oder Mittwoch half ich beim Ausmisten – haha, erstaunlich, die Rückenschmerzen waren einfach still und leise verschwunden ! Dank Ziegen-Arbeits-Therapie ! Sehr schön ! Viel Ziegen-kuscheln gab es natürlich auch jeden Tag !

Am freien Tag borgte ich mir das Rad aus und fuhr den Bergen entgegen, die da jeden Tag vom Horizont winkten, es war sehr heiß, ich kassierte einen guten Sonnenbrand und egal, wieviel ich strampelte, richtig nah kam ich den Bergen nicht… aber die Aussicht war toll und drum herum gab es sowieso viel zu gucken. Ein schöner Tag ! Wie auch die anderen beiden besonderen Event-Tage: letzter Schultage für Sohn Albert (1. Klasse), mit Fahnenapell, Urkunden, Tanzaufführungen… sehr lustig so als Zuschauer, wie früher J. Und am Montag der zweiten Woche das ganz große Highlight – das ERSTE kirgisische Ziegen-Festival ! Mit internationalen Gästen (eher aus den umliegenden Ländern)  und natürlich Ziegen. Solche hatte ich noch nie gesehen.  Dazu Wettbewerbe, wer hat den schönsten Bock, welche Ziege gibt die beste und die meiste Milch… Danach großes Festessen und Tanz und Reden… cool ! Ein sehr interessanter Tag war das ! Wie eben die ganzen 10 Tage bei Umut und ihrer kirgisisch-holländischen Familie.





 


 




Aber weil es ja fast nie einfach nur schön ist, gab es auch einen „Wermutstropfen“, nämlich den Ketten-Hund. Sowas jeden Tag zu sehen, macht mich sehr traurig ! Der Kleine bekam eine Luxus-Woche, mit viel Kuscheln und vielen Spaziergängen und es war schön zu sehen, wie er jeden Tag mehr aufblühte. Und ich quälte mich mit vielen Gedanken, jeden Tag mehr – wie kann ich diesem sympathischen Knirps helfen ? Er hat wohl schon mal jemanden gebissen, draußen ist alles voller Schäfer und Tiere; also irgendwie auch schwer zu verantworten, ihn einfach laufen zu lassen (und vermutlich käme er mit Hunger einfach wieder und läge wieder dort)… und nun hoffe ich, dass all mein Reden vielleicht etwas ändert und er wenigstens ein eingezäuntes Gehege statt Kette bekommt und hoffentlich auch ein bisschen Liebe… diese Geschichte liegt mir sehr im Magen und ich habe ein schlechtes Gewissen… Fast alle Hunde im Dorf lagen so an der Kette, aber zu denen hatte frau ja dann keine Beziehung aufgebaut. Hier hat man den Hund einfach so als „atmende Klingel“ und nicht zum liebhaben und als Kumpel.



 

Donnerstag, 18. Mai 2023

Bergluft

 



Der heilige Berg von Osh hat mich leider nicht spontan kuriert.  Länger in der Stadt hocken wollte ich dann aber doch auch nicht.  So habe ich mehrere Apotheken abgeklappert, diverse angerissene Packungen Schmerztabletten erstanden (man kauft hier  Tabletten scheinbar einzeln nach Bedarf und nicht Packungs-weise) und bin doch in die Berge gefahren. In ein kleines Dorf namens Arslanbob, bekannt geworden durch die angeblich größten natürlichen Walnuss-Wälder der Welt. Eine Augenweide diese teils uralten Bäume  ! Und auch die Bergkulisse dahinter bzw. drumherum ! Im Dorf laufen wahrscheinlich genauso viele Kühe frei rum wie Leute. Weiter weg in den Tälern weiden auch Pferde und ein paar der glücklicheren Esel. Die anderen stehen irgendwo alleine angebunden auf den Grundstücken rum... Und so wanderte ich drei Tage sehr begeistert dort hoch und runter und erfreute mich an allem, was es so zu schauen gab. Nur das Bett im Gästehaus war wieder so ein hartes Lager und aufstehen war jeden Morgen schwierig und schmerzhaft.  Also irgendwie ist es ja schon besser geworden als vor 2 Wochen, aber noch immer weit entfernt von "wieder gut". 








Und gestern ergab sich eine spontane Mitfahrgelegenheit im Sammeltaxi direkt zur Hauptstadt.  Mir erschien es eine bequeme Lösung, den Rucksack von Tür zu Tür gefahren zu bekommen, statt ihn selbst bewegen zu müssen. .. bequem war an dieser Fahrt nix, 11 Stunden fast nur sitzen war schauderhaft.  Aber was es da nicht alles zu sehen gab am Straßenrand. .. so eine spannende Tour ! Die ersten Nomaden treiben ihre Tiere nach oben in die höheren Täler, die ersten Jurten werden aufgebaut.  Also genau das, was Tourist in Kirgisistan erwartet :-) Und ich fühlte mich sehr, sehr an die Alp Sommer in der Schweiz erinnert. Hier ist nur alles größer und weiter.






Nur lag unsere Alp mit Sicherheit idyllischer. Das hier war ja alles genau neben der Straße. .. die einzige gute Nord -Süd-Achse des Landes.  Über zwei sehr hohe Pässe, mit natürlich noch reichlich  Schnee so Mitte Mai. Aber vermutlich gibt es auch hier die idyllischen Plätze, die treffe ich schon noch ! 

Jetzt ist kurzer Stop in Bishkek , wo es leider Bindfäden regnet . ...

Donnerstag, 11. Mai 2023

Zum usbekischen Familienbesuch

 


Und es kam mal wieder alles ganz anders, und es kam ganz besonders doof ! Aber es fing gut an – von Taschkent im Zug durch wunderschöne Berge in die ehemals prächtige und wichtige (für die Seidenstraße) Stadt Kokand, in den Bus, in einen zweiten Bus und dann war das Kaff im Fergana-Tal nahe der tadschikischen Grenze erreicht. Und gerade mal ausgestiegen und die Straßenseite gewechselt, da düste ein Taxi um die Ecke, mehrstimmig wurde mein Name gerufen – und da kam die Englisch-Lehrerin Nasiba mit zwei ihrer Schüler, um mich abzuholen. Der Buschfunk funktioniert scheinbar bestens, jemand hatte einen Tourist im Bus erspäht und diese Info wurde sofort verbreitet. Und schwuppdiwupp saß ich bei Nasiba und ihrer Familie  zu Hause, sie musste wieder in die Schule und ließ mich in Obhut ihrer ca. 80-jährigen Mutter und dem obligatorischen Tee ausruhen. Später lernte ich auch ihre 3 Söhne und ihren Mann kennen, sowie Bruder und Familie, die im Nachbarhaus wohnen. Soweit so gut. Am ersten richtigen Tag , vergangenen Mittwoch, ging ich früh mit in die Schule für 3 Stunden, damit die Schüler der Englisch-Klassen mal einem echten Ausländer Löcher in den Bauch fragen konnten und ich auch ihnen, es war ziemlich lustig. Das eine Frau meines Alters kinderlos und unverheiratet ist und das auch noch freiwillig, leuchtete allerdings niemandem ein… und dann noch ohne Religion… ohje… ratlose Gesichter. 

 

Mittags war für mich Schluß und ich erkundete ein bisschen die Gegend, ging „daheim“ Mittag essen (Suppe und Brot) und am Nachmittag half ich dem ältesten Sohn bei ein paar kleinen Bauarbeiten und dann das Gehege der Schafe zu putzen, die da im Hof aufgezogen wurden…. mit für unsere Vorstellungen dürftigem Werkzeug, vor allem mit einem Besen, ohne Stiel, einfach so zusammengebundene Halme, im rechten Winkel… und ich dachte noch „Hmmm, gar nicht gut für den Rücken…“ – die ersten ahnen, was kam – das Abendessen gab es auf einem Tischtuch am Boden… und bei Aufstehen passierte es dann, eine dumme Bewegung und der Rücken war hin. Die Bandscheiben. Nach Jahren mal wieder ! Und damit war der Besuch gelaufen und eigentlich die ganze Zeit seitdem, es tut nach wie vor sehr weh… Einfach wieder gehen konnte ich allerdings auch nicht und mutierte also vom Volontär zum Couchsurfer, wobei meine „Couch“ ein Deckenlager am Boden war. Auch das Klo war ein Loch im Boden. Gegessen wurde am Boden….. Und all dieses Hoch und Runter war für mich kaum machbar und auch am dritten Tag zeigte sich fast überhaupt keine Besserung. Nasiba und die ganze Familie waren dabei nach wie vor total gastfreundlich und verständnisvoll, insbesondere die Großmutter, mit der ich ja tagsüber alleine war und die auch diverse Gebrechen hatte. Sie borgte mir regelmäßig ihre Krücke, damit ich besser zum Hof, zu meiner Raucherinsel  und zur Toilette kam :-) und wir radebrechten fröhlich auf Russisch. Aber am 3. Tag beschloß ich, daß es so nicht weiter gehen kann und ich nun wirklich gern ein kleines bisschen mehr Komfort haben möchte, im Sinne von einfach ein richtiges Bett und eine heiße Dusche (es gab nur waschen am Eimer); plötzlich fand ich nämlich „Lokal-Kolorit“ einfach nur noch ZU anstrengend ! Am Sonntag holte mich ein Sammeltaxi an der Hausstür ab, ich ertrug die Fahrt zurück nach Kokand (sitzen geht gar nicht gut), ins Hotel, den Rucksack ließ ich mir ins Zimmer tragen und Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie glücklich frau einfach über ein Bett sein kann !

Schade, dass diese Woche nun für niemanden erfolgreich war, weder für Nasiba noch für mich. Interessant war es allemal, mal bei echten Usbeken zu Gast gewesen zu sein. Wir werden uns alle lange an dieses Erlebnis erinnern können !

 

Ich genoss mein Zimmer sehr, humpelte zwischendrin immer mal ne Runde durch die Stadt, von nur rumliegen wird auch nix besser – und fand es sogar überraschend schön. Aber da saß mir leider trotzdem ein Termin im Nacken. Ich wäre ja gern geblieben, bis es wieder gut ist. ABER – meine Aufenthaltszeit im Land, nur 30 Tage, war fast abgelaufen. Und so musste ich weiter und irgendwie bis über die Grenze. In zwei kleinen Etappen, die ganze Zeit Angst, das ich mir wieder was tue, weil ja auch der Rucksack mit musste (19,6 kg zeigte die Waage vor 4 Wochen am Flughafen). Aber ich habe es überstanden, wenn auch mit ausreichend Schmerzen, und bin gestern in Kirgistan eingereist. Und hier, gleich hinter der Grenze bleibe ich jetzt einfach erst mal bis es gut oder zumindest wesentlich besser ist. Traurig, wo da so vom Horizont die ganz großen Berge rufen. Mein nächstes Ziel ist ein Bergdorf, aber die Fahrt dauert rund 5 Stunden und das ertrage ich gerade echt nicht. Also warten und hoffen… Und hier in der Stadt Osh, gibt es einen heiligen Berg, auch UNESCO Welterbe !, und ein Besuch dort heilt angeblich Kopfschmerzen und RÜCKENLEIDEN !!! Und da geh ich nachher hin und hoch ! Also einfach so vorsichtig laufen nur mit mir und ohne Gepäck geht schon !

So, da wißt Ihr nun, wie es die letzten Tage war – doof einfach. Aber das ändert sich hoffentlich bald ! Das war ja jetzt mal ein ganz schön langer Text J

Wie unsere Heike immer sagt „Alles wird gut !“

 


Nachtrag:

 Da der Usbekistan-Teil nun leider schon zu Ende ist, müssen doch hier noch fix all die lustigen kleinen Details hin, die mir in den Wochen so ins Auge fielen. Zuallererst und am allerschönsten: Man legt hier gern die rechte Hand aufs Herz, wenn man sich für etwas bedankt. Das gefiel mir sehr, so wird dieses Wort gleich viel wichtiger und ernstgemeinter.

Das Land muss irgendeine Abmachung mit der Firma Chevrolet haben (die haben auch ein Werk hier), man sieht fast ausschließlich weiße Chevrolets rum fahren !

Die hiesigen Reisebüros versprechen Glück und Erholung nicht wie bei uns unter Palmen und am Meer. Hier werden ganz zuallererst Pilger-Reisen nach Mekka angeboten; und sonst hauptsächlich Dubai und Istanbul…

Und man muss hier sieben Mal im Leben heiraten oder so, es gibt solche Unmengen von Brautausstattern und Hochzeits-Event-Sälen; das ich mir überhaupt nicht erklären kann, wer das alles braucht… das hätte ich mal Nasiba fragen sollen, das wunderte mich wirklich die ganze Zeit.


Montag, 1. Mai 2023

Taschkent

 


Ich hatte keine Lust auf noch eine Stadt. Aber auch Taschkent war ein Knotenpunkt an der alten Seidenstraße, später die 4. größte Stadt der Sowjetunion und heute nun Hauptstadt von Usbekistan. Und frau hat ja dann doch immer Angst, irgendetwas zu verpassen :-).  Und so schwitze ich mich hier seit Samstag dumm und duselig.  Von orientalischem Flair keine Spur mehr, einfach eine moderne Großstadt  (nach einem schweren Erdbeben in den sechziger Jahren war das alte fast alles kaputt ). Ein paar Sehenswürdigkeiten verstecken sich im Getümmel, dazu gibt es riesige Parkanlagen und viele Springbrunnen, diverse Basare und einige Metro - Stationen sind sehenswert. ... und dazu viele Menschen, viel Verkehr. Ich hätte jetzt nicht wirklich was verpasst und fahre morgen früh weiter. Schon heute hatte ich keine rechte Lust mehr, bin durch viel Grün zum Museum für angewandte Kunst gewandert , das ist in einem schönen Haus und ganz hübsch und  klimatisiert 😊. Es geht ua.  natürlich um Seide.



Und noch ein paar Bilder dieser gerade mal 2,5 Tage :

eine der letzten erhalten alten Anlagen;  daneben wird ein riesengroßes Islam-Zentrum gebaut


der größte Basar der Stadt



Vergnügungspark


lecker kalter Kwas am Straßenrand


ein paar alte Reste im russischen Viertel


Und nach all den schönen Begegnungen in den letzten Gästehäusern und so vielen interessanten Gesprächen und lustigen Abenden ist natürlich auch das hier anders.  Es ist zwar sehr modern, bequem, supersauber. ..aber niemand spricht mit dem anderen, jeder ist schweigend mit seinem Telefon zugange. .. total doof !

Morgen geht es dann zu meiner einen Voluntärs-Woche zu einer usbekischen Familie. Ich bin gespannt  !

Ihr hattet /habt noch hoffentlich einen schönen ,  sonnigen Feiertag ! Von 1. Mai hab ich nix bemerkt hier. Bis bald wieder  !