Statt subtropisch und tropisch nun also mal subpolar ! Im
letzten Moment, während der Zug Stunde um Stunde durch hunderte Kilometer
einsamen Wald tuckerte, dachte ich mir „Mensch, was hab ich mir da bloß wieder
ausgedacht !“. Der Zug war gut gefüllt mit Wanderverrückten mit riesigen
Rucksäcken. Gut, bin ich wenigstens nicht ganz alleine. Mein Ziel war der
„Kungsleden“ – der Königsweg, ein in Schweden und auch andernorts ziemlich
bekannter Wanderweg quer durch die Einsamkeit Lapplands. Nach Ankunft bin ich gleich
noch ein Stück losgestampft, um mein Zelt auch direkt in der ersten Nacht
irgendwo in der Natur aufbauen zu können.
Und dann ging es richtig los und die
folgenden ca. 200 km waren begleitet von sehr schwankenden Emotionen. Zuerst
war ich gar nicht so begeistert. Es war kalt, grau, und die karge leere
Landschaft um mich herum, verursachte mir eher Beklemmungen als Freude. Da war
ich gar nicht unglücklich, dass frau doch hin und wieder auf andere Menschen
traf.
Andere Wanderer wohlgemerkt, leben
tut dort niemand dauerhaft. Über hunderte Kilometer ist einfach Niemandsland.
Die Sami haben einige Unterkünfte, die werden benutzt, wenn etwas bei den
Rentieren zu tun ist (von denen, also den Rentieren, hab ich auch ein paar getroffen, aber längst
nicht so viele wie vorab vermutet; die grasen im Sommer anderswo wurde ich
aufgeklärt). Und aller 20-30 km gibt es zu Beginn Wanderhütten, wo man
übernachten kann (ich habe nur gezeltet) und meist mit einem Mini-Laden für
Proviant. Nach Hause gehen kann man nicht einfach, wenn man genug hat – sich
max. vom Helikopter abholen und ausfliegen lassen; ansonsten muss man jeweils
ca. eine Woche durchhalten bis zu einer Ausstiegsmöglichkeit und Anschluß an
die Zivilisation.
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nicht immer lagen Holzbohlen, wo man sie gern gehabt hätte
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der Weg...
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Helikopter-Taxi |
Naja, ich lief mutig weiter, wenn auch teils mit Unbehagen.
Der Weg war oft gar kein richtiger Weg, sondern einfach ein markierter Pfad
über Steine und Geröll, zu Beginn war es auch oft ziemlich feucht von unten –
überall Schmelzwasser. Auch die ersten Flüsse mussten durchquert werden. . Das
Wasser war eisig, war ja gerade eben noch Schnee gewesen. Und Holzbohlen fürhrten über Moore und Sümpfe. Man kam nur langsam
voran. Und dann kam der Abend von Tag 3 – mein schlimmster Tag. Zunächst wieder
so eine eisige Fluss-Durchquerung mit schockgefrosteten Füssen und danach
begann der Schnee ! Und der lag zwar noch sehr hoch, trug aber nicht mehr
überall. Nachdem ich 2x sehr tief eingebrochen war und bis zu den Oberschenkeln
in Schnee-Eis-Matsch feststeckte (und dazu den schweren Rucksack auf dem
Rücken), war mein Bedarf an Abenteuer eigentlich gedeckt. Ich brauchte eine
ganze Weile, mich da irgendwie zu befreien. Natürlich ist in solchen Momenten
niemand in der Nähe…Klatschnass und kaputt erreichte ich eine Schutzhütte – und
dort saßen schon 7 Leute, denen ähnliches wiederfahren war und die ihre
Klamotten und Schuhe trockneten.. .
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durch... |
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drüber... |
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rein !
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Mit Gesellschaft wurde die Laune wieder
besser und am Morgen zogen wir alle erst mal gemeinsam weiter, auf der anderen
Seites des Passes durch ebenfalls noch viel Schnee wieder herunter – und dort
begann dann der für mich schönere Teil. Alles wurde grüner, war nicht mehr sooo
karg, nach ein paar Tagen kam sogar Wald und frische Pilze zur Erweiterung des
schmalen Speiseplans. Es ging oft weit hoch und wieder runter und war gut
anstrengend, aber dafür gab es zur Belohnung die grandiosen Ausblicke auf die
Berge, riesige Wald- und Wasserflächen.
Einige größere Flüsse und Seen mussten mit einem Bootstransfer überquert
werden.
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ein schöner Tag Pause nach dem Schnee
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Mir taten von Tag zu Tag mehr die Füsse weh und ich
überlegte an der 2. Möglichkeit abzubrechen. Aber da gab es ja noch die Abende
– man stelle sein Zelt an einen schönen Fleck, hat gefühlt die Welt für sich
alleine, einen Fluss daneben zur Wasserversorgung (jeder Fluss supersauber und
klar und alles Trinkwasserqualität !), entzündet sich ein kleines, möglichst
sehr qualmendes Feuer (gegen die inzwischen allgegenwärtigen Hundertschaften
von Mücken), kocht sein Essen, hockt sich auch mal kurz in den Fluß… Das fand
ich großartig und hatte daran sehr viel Spaß !
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Sonne, Wasser, Buch und Feuer - so gehts auch ohne laufen gut :-)
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Und es war einfach immer hell –
im Juni und Juli regiert die Mitternachtssonne ! Also doch lieber weiter
laufen. Das schaffen meine Füße schon irgendwie auch noch die nächsten hundert
Kilometer. Und dann kam das Ende ganz abrupt und unerwartet, am Montag morgen
um 4. Da ging der Reißverschluß vom Zelt kaputt – was die Mücken sofort
bemerkten . Reparieren ließ es sich nicht. Und so war ziemlich schnell
entschieden, daß ich so in der Mücken-Hölle nicht weiterlaufen möchte. Statt
dessen wieder eine Etappe rückwärts – zur 16-Leute-Siedlung Kvikkjokk, dort
bekam ich sofort eine Mitfahrgelegenheit nach Jokkmokk, dem nächsten Ort (nur
200 km oder so entfernt, und dort leben schon ca. 3000 Leute). Dort nahm ich
mir ein Zimmer, recherchierte und buchte die Rückreise und damit war das
Lappland-Abenteuer zu Ende. Und das Abenteuer „Durchquerung von Schweden“
begann – die Reise nach Stockholm verlief dann nämlich auch nicht reibungsfrei,
aber alles hat letztlich geklappt, trotz einer Zugverspätung von 9 Stunden. Die
Zugfahrt folgte auf eine Busfahrt von 10 Stunden (während der wir ganz
unauffällig auch wieder den Polarkreis überquerten) – da war ich wieder tief
beeindruckt von der Umgebung, 10 Stunden nix als Wald und Wasser, kaum mal eine
Siedlung. Unglaublich !
Das war nun eine anstrengende und interessante Exkursion,
ich freue mich, dass ich mal da war. Später vielleicht mal wieder. Im Moment
freuen sich meine Füße einfach, dass sie fauler sein dürfen (denen ist der
Schnee-Tag echt nicht bekommen). Und nach gefühlt monatelang Frühling freue ich
mich nun auf so richtig warmen Hochsommer !!! Und neue Ziele und neue Farben !
PS: Falls sich nun jemand fragt, wie ich überhaupt auf die
Idee kam, mal nach Lappland zu schauen (das stand ja noch nie auf der
Reise-Wunschliste) – da war mal wieder ein Buch dran schuld, das ich im
vergangenen Sommer las – von Kerstin Ekmann „Am schwarzen Wasser“, und da waren
sooo sehr schöne Landschaftbeschreibungen dabei, dass ich einfach im Internet nachschauen
musste, wie es denn da aussieht, da oben… und gleich unter den ersten Bildern
stand etwas vom Kungsleden, na und schwupps, ist eine neue Idee geboren :-)… so
kam es dazu…